- Roland Kluttig (Musikalische Leitung)
- Jossi Wieler / Sergio Morabito (Regie)
- Anna Viebrock (Bühne & Kostüme)
- Sergio Morabito (Dramaturgie)
- Großes Haus
- Premiere 05.04.2025
Die Passagierin
Oper von Mieczysław Weinberg
Libretto von Alexander Medwedew
Mieczysław Weinberg, bis vor kurzem ein Vergessener, schrieb mit seiner 1968 vollendeten, seit 2010 international wiederentdeckten Oper gegen die Verdrängung des Holocaust in der Bundesrepublik ebenso wie in der Sowjetunion an. Dem nicht abbildbaren Grauen in Auschwitz nähert sich sein Werk aus einer doppelten Erinnerungsperspektive: Sie konfrontiert die unfreiwilligen, geschönten und unvollständigen Bekenntnisse einer ehemaligen KZ-Aufseherin mit der von den Häftlingen erlittenen Gewalt.
»Wenn das Echo ihrer Stimmen verhallt, gehen wir zugrunde.« Dieser Vers Paul Éluards ist seiner Partitur vorangestellt. Und so verleiht er jeder einzelnen Stimme und jedem einzelnen Schicksal des aus acht Häftlingen des Frauenkonzentrationslagers Auschwitz-Birkenau gebildeten Frauenensembles ein eindringliches, unvergessliches Profil. Im Mittelpunkt dieses Ensembles steht Marta, eine junge Polin, die im Lager ihrem Verlobten Taddeusz wiederbegegnet und Zeugin seiner Ermordung wird.
Weinberg und sein Librettist Alexander Medwedew streben keine unmittelbar-realistische Darstellung des Lagers an. Dem nicht abbildbaren Grauen nähern sie sich aus einer doppelten Erinnerungsperspektive: Im Jahr 1960 kommt es auf einem Ozeankreuzer zu einer Wiederbegegnung Martas mit ihrer Peinigerin, der KZ-Aufseherin Anna-Lisa Franz. Diese ist an der Seite ihres Mannes, dem ihre Vergangenheit unbekannt ist, nach Brasilien unterwegs, wo er sein Amt als Konsul der BRD antreten wird. Die Oper konfrontiert die unfreiwilligen, geschönten und unvollständigen Bekenntnisse »Lieschens« mit der von den Häftlingen erlittenen, unfassbaren Gewalt.
Mieczysław Weinberg, dem als einzigem seiner Familie die Flucht aus Polen vor den Deutschen in die Sowjetunion gelang, wurde 1953 im Rahmen von Stalins antisemitischer Agenda inhaftiert. Deren Folgen entrann er durch Stalins Tod. Mitte der sechziger Jahre wagte er sich an das Thema des Holocaust. Dimitri Schostakowitsch hatte seinen Freund Weinberg auf den Roman »Die Passagierin« der Auschwitz-Überlebenden Zofia Posmyz von 1962 aufmerksam gemacht, in dem diese anhand der unvermuteten Begegnung der beiden Frauen die Opfer-Täter-Verkehrung im bundesdeutschen Bewusstsein meisterhaft analysiert. Weinbergs Librettist verstand es, aus dem Roman ein Opernszenarium herauszumeißeln. Die klug verknappte und pointierte Sprache hat der Komponist gestisch präzise vertont, eingebettet in eine sinfonische Gesamtanlage der Partitur, die unterschiedlichste Klangwelten dramaturgisch durchdacht miteinander interagieren lässt: liturgische Totenklage, pervertiert-verzerrte Walzerseligkeit, Gesänge, die die zerstörte Heimat, Freiheit, Leben und Liebe beschwören, die Klänge einer Jazz-Combo und immer wieder Zitate klassischer deutscher Musik: Bach, Beethoven, Schubert. Auch wenn Schostakowitsch den durch die staatlichen Stellen über die Oper verhängten Aufführungsbann nicht durchbrechen konnte – der heutige Hörer muss seiner Begeisterung recht geben: »In ihr gibt es keine einzige ›leere‹, gleichgültige Note. Alles ist vom Komponisten durchlebt und durchdacht, alles ist wahrheitsgetreu und mit Leidenschaft ausgedrückt.«
Die Produktion entsteht im Rahmen der Themenwoche »Ressource Erinnerung« und richtet sich sowohl an Schulklassen und Jugendliche ab 16 Jahren, als auch an Erwachsene.
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Die Themenwoche wird in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.